"So ein Sch**ß!" - Warum nur klappt's mit meiner Bewerbung nicht?

„Warum nur klappt’s mit meiner Bewerbung nicht?“ – Ich habe diesen Satz schon von vielen Bewerbern gehört und damals, als ich selber arbeitslos war, etliche Mal selbst gesagt.

 

Es ist einfach frustrierend, Dutzende Bewerbungen zu schreiben und entweder gar keine Resonanz oder nur Absagen zu bekommen. Irgendeinen Grund muss es doch geben, oder? Die Antwort auf diese Frage lautet: Jein! Denn es gibt nicht DEN einen einzigen Grund; ein bisschen vielschichtiger und mitunter komplizierter ist es schon. Zeit also, tiefer ins Thema einzusteigen!

Du kennst betriebliche Abläufe nicht

 

Es ist verständlich, dass du, nachdem du deine Bewerbung verschickt hast (egal, ob per Mail, Formular oder Post) möglichst schnell eine aussagekräftige Rückmeldung haben willst. Aber hast du schon einmal versucht, die Dinge aus der Perspektive des Unternehmens zu betrachten, bei dem du dich bewirbst? Da ist deine Mail oder dein Brief einer von vielen, und die Durchsicht und Bearbeitung deiner Bewerbung auch nur eine von Dutzenden Aufgaben. Noch dazu kann es sein, dass intern eine Wartefrist vereinbart wurde, bis zu der Bewerbungen von „Nachzüglern“ akzeptiert werden.

 

Vielleicht solltest du dir auch bewusstmachen, dass Stellenbesetzungen in den seltensten Fällen nur von einer einzigen Person entschieden werden; meistens sind mehrere Kollegen damit beschäftigt, die Bewerbungen zu sichten, die Kandidaten zum Gespräch einzuladen, sie zu interviewen und dann gemeinsam zu überlegen, wer die beste Besetzung für die Stelle ist.

 

Laut Kurzbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2016 vergehen in Deutschland zwischen dem Beginn der Personalsuche und dem tatsächlichen Arbeitsbeginn durchschnittlich 85 Tage (IAB 4/2016). 2018 waren es übrigens laut Süddeutscher Zeitung bereits 102 Tage – das sind fast dreieinhalb Monate!

 

Du kennst den (regionalen) Arbeitsmarkt nicht

 

„Über 1 Mio. Jobs in Deutschland unbesetzt“ – diese Schlagzeilen sorgten in den vergangenen beiden Jahren für Furore. Gleichzeitig finden über 2,5 Mio. Menschen derzeit keinen Job. Wie kann das sein?

 

Ein Grund ist, dass nicht jeder Arbeitssuchende die Jobs sucht, in denen Bedarf ist. Das lässt sich ganz gut bei Azubis beobachten. Der FOCUS schrieb 2016 etwas provokant: „Die Jungs wollen am liebsten in die Werkstatt, die Mädchen am liebsten ins Büro: Mit ihrem Ansturm auf die immer gleichen Berufe machen es sich viele Auszubildende unnötig schwer.“

 

Tatsächlich ist es aber wirklich so, dass es sehr stark nachgefragte Berufe gibt, denen aber weniger freie Stellen als Bewerber gegenüberstehen, zum Beispiel im Verkauf oder im Kfz-Bereich. Im Nahrungsmittelbereich, der Gastronomie und dem Pflegesektor bleiben dagegen viele Stellen unbesetzt. Auch regional kann die Konkurrenzsituation besonders stark sein, wenn zum Beispiel ein großer Arbeitgeber schließt und nun auf einmal viele Bewerber sich um die wenigen freien Arbeitsplätze bei anderen Unternehmen bemühen.

 

Deine Bewerbung beinhaltet krasse Fehler

 

Hand aufs Herz – schaffst du auch ohne die Autokorrektur in Word eine fehlerfreie Bewerbung? Mein Eindruck ist, dass viele Bewerber ohne diese bequeme Funktion mittlerweile aufgeschmissen wären. Und selbst mit eingeschalteter Autokorrektur passieren mitunter krasse Fehler und dann werden „Bewerbungen des Grauens“ verschickt, wie die DEVK Bad Oeynhausen schmerzlich erfahren musste.

 

Der Münchener Merkur berichtet von einem Kopfschüttel-Fall aus Österreich, wo sich ein junger Mann bei einem Autovermieter mit folgender Mail (inkl. Rechtschreibfehlern) bewarb: 

 

„Meinen Namen seht ihr in der E-Mail Adresse. Bin 23 Jahre. Führerschein der Klasse „B“. Schreiben und lesen kann ich. Deutsch, Russisch, Englisch. Suche einen anderen Job. Arbeite derzeit bei [Name geschwärzt].Voll motiviert und so… Wenn ihr wollt ruft an, wenn nicht dann nicht. Cao.“

 

Wenig verwunderlich, dass diese „WhatsApp“-Bewerbung beim Arbeitgeber eher suboptimal ankam …

 

Deine Bewerbung ist 08/15

 

Wenn du Single wärst – würdest du in eine Disco gehen und jede(n) Umherstehende(n) fragen: „Willst du mit mir gehen? Oder willst du? Oder willst du?“ Wohl kaum! Bitter nur, dass viele Bewerber bei der Jobsuche genauso vorgehen. Klar, kaum jemand liebt es, Bewerbungen zu schreiben. Aber leider sieht man das vielen Bewerbungen auch an. Anstatt passgenau auf die Stelle abgestimmt zu schreiben wird nur der Adressblock ausgetauscht. Nicht selten strotzen Anschreiben vor Floskeln, die kein Personaler mehr lesen mag.

 

Ich habe dir hier einmal die TOP 10 der Phrasen (und was Personaler daraus lesen) zusammengefasst. Wohlgemerkt – diese Liste ist mit Augenzwinkern zu lesen und stellt ein „worst of“ dar, das mir im Laufe meiner Tätigkeit von Personalern und Firmeninhabern weitergegeben wurde.

 

  • TOP 10: „ich verfüge über ein hohes Maß an …“

… und jetzt kommen haargenau die Stichworte, die in der Stellenanzeige im Anforderungsprofil erwähnt wurden – copy and paste 1.0! P.S.: Ich spiele auch gerne „bullshit bingo“.

  • TOP 9: „perfekte Stelle …“

Im Übrigen warte ich auch noch auf den Lottogewinn, den Traumprinzen und die reiche Erbtante aus Amerika. Zu Anfang reicht mir aber auch schon die perfekte Arbeitsstelle.

  • TOP 8: „bin es gewohnt …“

Tagein, tagaus mache ich das jetzt schon seit Jahren. Meine Motivation hält sich in Grenzen, nicht jedoch meine Routine.

  • TOP 7: „fühle mich der Aufgabe gewachsen …“

Ich kann meine Qualifikation leider nicht durch Fakten und Belege untermauern – aber mein Bauchgefühl hat mich bisher selten im Stich gelassen. Reicht doch, oder?

  • TOP 6: „meine Stärken sehe ich in …“

Leider hat das außer mir bislang keiner erkannt. Sonst könnte ich ja ehemalige Arbeitgeber anführen, die meine Stärken in Arbeitszeugnissen erwähnen. Oder Referenzpersonen angeben, die meine Aussagen bestätigen. Aber so bleibt mir halt nur mein eigener Leumund.

  • TOP 5: „hoffe ich …“

Wissen Sie eigentlich, wie durchgescheuert meine Jeans ist? Ständig rutsche ich auf den Knien, aber noch immer hat sich kein Personaler dazu heruntergelassen, sich meiner zu erbarmen und mir Hort, Schutz und Nahrung zu geben. Vielleicht wären Sie ja so nett …?

  • TOP 4: „würde mich freuen, falls Sie …“

Mein Lieblingslied heißt „Hätte, hätte, Fahrradkette“ und mein Lebensmotto ist „Maybe yes, maybe no – maybe rain, maybe snow“. Verbindlichkeit und Durchsetzungsvermögen sind nicht so meins. Lieber bleibe ich im Hintergrund – aber Sie suchen ja auch jemanden fürs Back Office.

  • TOP 3: „Leider …“

… steht über meinem ganzen Leben. Ich bin Opfer der Verhältnisse und habe per se keine Chance – immerhin weiß ich warum und kann das auch klar benennen. Dass das Fehlen einer Qualifikation kein unabänderliches Schicksal sein muss, ist mir– Sie ahnen es – leider nicht bewusst.

  • TOP 2: „mit großem Interesse …“

… habe ich versucht, einer Sanktion des JobCenters/der Agentur für Arbeit zu entgehen und schreibe daher diese Bewerbung – selbstverständlich so lapidar und unkonkret wie möglich!

  • TOP 1: „hiermit bewerbe ich mich …“

Ich hatte tatsächlich vorher noch in Erwägung gezogen, Ihnen meine Bewerbung auf einem Kantholz oder einer Schiefertafel zukommen zu lassen, dann jedoch in einem Anfall von Genialität meinen Erguss auf DIN A4-Papier der Sorte 80g/m² gedruckt. Wobei ich mich jetzt doch frage – womit sonst hätte ich mich bewerben sollen? Egal, jetzt steht’s halt auf dem Papier – und der Bewerbungsratgeber für den Öffentlichen Dienst des Königreichs Preußen hatte diese Formulierung 1827 als revolutionär verkauft.

 

Melanie Steckelberg, Wirtschafts- und Personalpsychologin, hat in einem Interview mit ze.tt ziemlich prägnant zusammengefasst, was eine gute Bewerbung auszeichnet: „Wichtig sind Persönlichkeit und Authentizität. Deswegen bringt es auch nichts, sich irgendwelche Standardschreiben aus dem Netz zu ziehen. HR-Profis wollen im Lebenslauf von Fähigkeiten erfahren und im Anschreiben Persönlichkeit entdecken – und zwar in Bezug auf das Unternehmen und die ausgeschriebene Stelle.“

Du bist den zweiten Schritt vor dem ersten gegangen

„Ich hab meinen Job verloren und jetzt will ich mich einfach nur schnell woanders bewerben …“ – Dieser Satz macht ein Problem vieler Bewerber deutlich: nämlich, dass sie sich Hals über Kopf in die Bewerbung stürzen, ohne vorher wichtige Überlegungen anzustellen, zum Beispiel:

  • Welchen Job suche ich wirklich?
  • Was für Arbeitsbedingungen brauche ich?
  • Welche Perspektiven erwarte ich?
  • Welche Fähigkeiten und Kompetenzen habe ich, mit denen ich mich von anderen abhebe?

Solche und ähnliche Basics, über die ich vor kurzem einen Artikel geschrieben habe, müssen unbedingt VOR der Erstellung einer Bewerbung stehen, damit sie aussagekräftig und persönlich wird!

 

Ich hoffe, dir mit diesem Artikel wichtige Hinweise und Anhaltspunkte gegeben zu haben, und freue mich auf dein Feedback!

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